Wenn Unternehmen in Deutschland offene Stellen besetzen wollen, müssen sie sich anstrengen: Es reicht längst nicht mehr, nur eine Stellenanzeige zu schalten. Die Ansprüche der Kandidaten sind hoch – deshalb ist es besonders wichtig, dass Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber positionieren.
Damit das gelingt, müssen Unternehmen wissen, was den Bewerbern wichtig ist. Antworten darauf gibt die Langzeitstudie „Recruiting-Trends“ der Universität Bamberg.
Ein Megatrend, der seit Jahren zu beobachten ist, ist das Thema Mobile Recruiting. Immer mehr Bewerber nutzen mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones, um sich über einen Arbeitgeber zu informieren.
Nach wie vor nutzt die Mehrzahl der Bewerber einen Laptop (70,8 Prozent), aber der Anteil der mobilen Endgeräte steigt stetig an – im vergangenen Jahr alleine um elf Prozentpunkte. Aktuell suchen 41,7 Prozent der Nutzer auch mit dem Laptop oder Tablet nach Informationen über Unternehmen und nach freien Stellen.
Die Unternehmen sind diesem Trend gegenüber aufgeschlossen: 72,2 Prozent der Top-1000-Unternehmen sehen in der Nutzung mobiler Endgeräte einen großen Einfluss auf die Rekrutierung von Kandidaten. Das Mobile Recruiting ist damit „ein starker Trend in der modernen Personalbeschaffung“, heißt es in der Studie.
Die befragten Unternehmen sehen mit dem Mobile Recruiting zwar neue Möglichkeiten, um Kandidaten anzusprechen und zu rekrutieren. Zugleich fürchten sie aber hohe Kosten. Das geben 44 Prozent der Top-1000-Unternehmen an. Sie halten es zudem schwierig, das Mobile Recruiting in bestehende Prozesse im Personalwesen zu integrieren.
Eine eigene App zum Unternehmen stellt nicht einmal jedes zehnte Unternehmen ihren Kandidaten bereit – dabei fänden das sechs von zehn Kandidaten gut. Sieben von zehn Kandidaten wünschen sich, mit Apps in Internetstellenbörsen nach offenen Stellen suchen zu können.
Wenn Unternehmen vorhandene Portale mit ihren Stellenanzeigen bespielen, haben sie den Vorteil, dass sie eine vorhandene Technologie nutzen können, ohne sie selbst programmieren zu müssen. Allerdings wussten in der Studie viele Unternehmen nicht, ob ihre Stellenanzeigen mobil überhaupt zugänglich sind.
Unternehmen müssen sich in Zukunft weiter bemühen, ihre eigene Marke als Arbeitgeber zu stärken und das Interesse von Kandidaten zu wecken. Dabei können verschiedene Maßnahmen hilfreich sein.
„Heute müssen Personaler deutlich mehr beachten als früher“, sagt Dr. Sven Laumer, Ko-Autor der Studie im Interview mit Dreilandmedien. „Bereits wenn sie eine Stellenausschreibung erstellen, müssen sich an das Thema Suchmaschinenoptimierung denken, damit die Ausschreibung auch gefunden wird.“
Die meisten Unternehmen nutzen aktuell verschiedene Kanäle, um über freie Stellen zu informieren. Fast 90 Prozent der Top-1000-Unternehmen veröffentlicht solche Anzeige auf der eigenen Unternehmensseite. Rund zwei Drittel nutzen zudem Stellenbörsen im Internet.
Ein kleinerer Teil meldet freie Stellen an die Agentur für Arbeit (46,3 Prozent). Karrierenetzwerke im Internet nutzen zu diesem Zweck nur 23,5 Prozent der Top-1000-Unternehmen. Dabei liegt gerade in den Karrierenetzwerken eine große Chance, zeigt die Studie. 42,7 Prozent der Kandidaten nutzen Karrierenetzwerke, um sich über freie Stellen zu informieren.
Dort könnten Unternehmen deutlich mehr Bewerber generieren als bisher. Internetstellenbörsen nutzen 77,2 Prozent der Kandidaten häufig – dort sind die Unternehmen aber bereits gut vertreten. „Das größte Potenzial sehe ich in der Zielgruppenorientierung“, sagt Laumer.
„Wenn Unternehmen geeignete Kandidaten suchen, dann wissen sie manchmal gar nicht, wo sich ihre Zielgruppe aufhält.“ Unternehmen sollten möglichst die Lebensrealität ihrer Zielgruppe erfassen und die Maßnahmen danach auszurichten. „Das vermisse ich noch bei vielen Unternehmen“, sagt Laumer.
Um attraktive Kandidaten zu gewinnen, ist es für Unternehmen weiterhin wichtig, ihre Marke als Arbeitgeber zu stärken. Dabei ist aber nicht nur der Inhalt wichtig, sondern vor allem die Glaubwürdigkeit, mit der ein Unternehmen seine Werte nach außen kommuniziert.
„Eine große Rolle spielen sogenannte weiche Faktoren, die zu einem guten Image führen“, sagt Laumer. Sie werden nicht vorausgesetzt – aber wenn es sie gibt, dann fällt das positiv auf. Dazu zählen zum Beispiel flache Hierarchien und die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten.
„Das sind Faktoren, mit denen Unternehmen wirklich begeistern können“, sagt Laumer. Ob diese Werte als glaubwürdig wahrgenommen werden, hängt vor allem vom Kontext ab: 85,2 Prozent der Bewerber gaben dies an, wenn sie vertraglich festgelegt sind.
Drei von vier Kandidaten gehen von einer hohen Glaubwürdigkeit aus, wenn die kommunizierten Werte von Freunden oder Bekannten bestätigt werden, die um Unternehmen arbeiten.
Beispiel für modernes Employer Branding: Arbeitgeberdarstellung des Lautsprecherherstellers TEUFEL Produktion: dreilandmedien
Doch auch Blogbeiträge und Recruiting-Videos sind wichtig, wenn es um das Thema Glaubwürdigkeit geht: Recruitingvideos, in denen Mitarbeiter von ihrer Arbeit erzählen, bewerteten 34,5 Prozent der Befragten als glaubwürdig. „Ein Video hat mehrere Dimensionen für ein Unternehmen“, sagt Laumer.
„Es ist zum Beispiel gut geeignet, um Text auf einer Karrierewebseite zu ergänzen: Wenn dort steht, was ein Unternehmen bietet, dann können die Mitarbeiter genau das im Video erzählen und bestätigen. Ein Video kann also sehr gut geeignet sein, um bestimmte Informationen zu übermitteln.“
Kandidaten legen vor allem Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Die Studie zeigt, dass ihnen eine flexible Arbeitszeit und ein flexibler Arbeitsort deutlich wichtiger sind als Sport- oder Freizeitangebote eines Unternehmens. Eine Mehrzahl der Bewerber würde dafür sogar Einbußen im Gehalt hinnehmen.
Unternehmen nutzen Social Media vor allem für vier Szenarien: Sie schreiben dort Stellen aus, betreiben Imagewerbung, Active Sourcing oder suchen gezielt nach Informationen über Kandidaten. Sieben von zehn der Top-1000-Unternehmen bewerten den Nutzen von Social Media positiv.
Zwei Drittel der Kandidaten finden es gut, wenn Unternehmen soziale Netzwerke benutzen. Die Hälfte der Kandidaten glaubt auch, dass Unternehmen es voraussetzen, dass sie sich dort über Arbeitgeber informieren. Der Nutzen von Social Media bringt aber auch Herausforderungen mit sich:
So glaubt die Mehrzahl der befragten Unternehmen, dass Recruiter sich neue Fähigkeiten aneignen müssen, um soziale Netzwerke effektiv zu nutzen. Nur 27,3 Prozent der Top-1000-Unternehmen haben überhaupt eine Social-Media-Strategie.
„Von Personalern sind sehr viele Fähigkeiten gefordert, die früher gar nicht wichtig waren“, sagt Laumer. „Sie müssen sich zum Beispiel auch mit der Frage beschäftigen, ob eine Anzeige auch bei Facebook oder in anderen Social-Media-Kanälen gepostet werden soll – und wie sie dort jeweils am besten funktioniert.“
Für Unternehmen wird darüber hinaus das Thema Active Sourcing immer wichtiger: Mehr als die Hälfte der Kandidaten wünscht sich, aktiv von einem Arbeitgeber angesprochen zu werden – auch in den sozialen Netzwerken oder in beruflichen Netzwerken.
Die Studie sieht noch Verbesserungspotential für Unternehmen beim Thema Bewerbungen. Dabei geht es weniger um die Kanäle, über die eine Bewerbung eingeht. Viel wichtiger sei es, Kandidaten während des Bewerbungsprozesses regelmäßig Rückmeldungen zu geben.
Neun von zehn Kandidaten wünschen sich eine Eingangsbestätigung und Informationen zum weiteren Ablauf. Damit lassen sich die Unternehmen aber oft Zeit – und verschenken so die Möglichkeit, ihrerseits einen guten Eindruck bei den Kandidaten zu hinterlassen.
Zur Studie: Die Studie „Recruiting Trends 2017“ wurde vom Centre of Human Resources Information der Universität Bamberg in Zusammenarbeit mit der German Graduate School of Management and Law Heilbronn im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH erstellt. Befragt wurden die Top-1000-Unternehmen aus Deutschland sowie 1000 Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand und 300 IT-Unternehmen. Die Top-1000-Unternehmen wurden über den Umsatz bestimmt.